Die Deutschen essen pro Kopf durchschnittlich 218 Eier im Jahr. Umfragen zufolge bevorzugen sie dabei Eier von sogenannten glücklichen Hühnern. Gibt es eine Form der Hühnerhaltung, die diesem Anspruch gerecht wird?
In Freiheit leben Hühner in festen Gruppen von 10–20 Hennen und einem Hahn zusammen. Die Gruppen haben eine stark ausgeprägte Hierarchie, die Hackordnung genannt wird und ein friedliches Zusammenleben sicherstellt. Hühner sind sehr soziale Tiere und kommunizieren auf vielfältige Weise miteinander – bisher konnten über 30 verschiedene Laute dokumentiert werden.
Die Hälfte ihres Tages verbringen Hühner mit der Nahrungssuche, bei der sie scharren, picken und jagen. Die tägliche Gefiederpflege dient ihrem Wohlbefinden und der Gesundheit. Dazu gehört auch die Lieblingsbeschäftigung der meisten Hühner – ein Bad in Erde, Sand oder Staub. Hühner halten sich tagsüber meist auf dem Boden auf, aber bei Gefahr und zum Ruhen fliegen sie erhöhte Plätze auf Bäumen an.
Wild lebende Hühner legen und brüten bis zu 40 Eier im Jahr aus. Die Mutterliebe der Glucken ist so ausgeprägt, dass sie sogar Eingang in unseren Wortschatz gefunden hat – als Bezeichnung für eine sehr besorgte Mutter. Die natürliche Lebenserwartung eines Huhns beträgt bis zu 20 Jahren.
Hühner sind sehr neugierig, lernfähig und intelligent. Die Verhaltensforscherin Dr. Smith von der Macquarie Universität in Sydney nennt sie „die am meisten unterschätzten Tiere auf dem Planeten“. Als Küken ihre mathematischen Fähigkeiten bewiesen, titelte der Spiegel „flauschige Genies“. Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass die kognitiven Fähigkeiten von Hühnern denen von Säugetieren wie Hunden, Katzen und sogar Primaten entsprechen.
Hühner verstehen beispielsweise, dass kürzlich versteckte Gegenstände noch vorhanden sind, was über die kognitiven Fähigkeiten eines Kleinkindes hinausgeht. Hühner merken sich außerdem bis zu 100 verschiedene Gesichter und lernen aus Erfahrungen. Sie gehen tiefe freundschaftliche Bindungen ein. Die britische Biologin Joanne Edgar attestierte Hühnern zudem die Fähigkeit, Empathie zu empfinden. Jedes Huhn ist ein Individuum mit einem ausgeprägten Charakter.
Heutzutage kommen in der Ei-Produktion ausschließlich sogenannte Lege-Hybriden zum Einsatz: Auf eine möglichst hohe Legeleistung hin gezüchtet Hennen. Diese Legeleistung wird zusätzlich durch künstliche Beleuchtungsprogramme gesteigert.
Das Ergebnis: Die Hochleistungshennen legen rund 300 Eier im Jahr. Nicht auf Hochleistung gezüchtete Hennen würden, wie ihre wild lebenden Verwandten, die Bankivahühner, höchstens 40 Eier im Jahr legen und ausbrüten.
Diese unnatürlich hohe Legeleistung zehrt ihre Körper aus. Unfälle und Krankheiten wie Knochenbrüche und Eileiterentzündungen gehören ebenso zum Alltag wie der vorzeitige Tod der Tiere.
Bei der Hühnerhaltung wird zwischen der sogenannten „Legelinie“ und „Mastlinie“ unterschieden. Hühner, die innerhalb kurzer Zeit besonders viel Fleisch ansetzen, entspringen der „Mastlinie“ und sind für die Fleischproduktion vorgesehen. Sie haben eine schlechtere Legeleistung als Hühner, die der „Legelinie“ entspringen und für den Einsatz in der Ei-Produktion vorgesehen sind.
In Deutschland werden über 38 Millionen Legehennen zur Ei-Produktion gehalten. Dies geschieht in vier Haltungsformen, die im Folgenden zusammengefasst werden.
13 % der deutschen Legehennen leben noch immer in Käfighaltung, obwohl die klassische Legebatterie, in der jedem Huhn weniger Platz als die Fläche eines DIN-A-4-Blattes zusteht, in Deutschland seit 2010 verboten ist. Als Nachfolger wurde der „Kleingruppenkäfig“ eingeführt. Hier erhält jedes Huhn eine Fläche in der Größe von knapp eineinhalb DIN-A-4-Blättern – es besteht also nur ein geringfügiger Unterschied zur alten Käfigform. Die Höhe des Käfigs muss lediglich 45 cm betragen. 60 Hühner leben in einem Kleingruppenkäfig, der zwar in verschiedene Funktionsbereiche unterteilt ist, die aber von den Hühnern durch die Enge kaum genutzt werden können. Der größte Anteil der Betriebe hält über 200.000 Käfighennen.
Der mit 64 % größte Teil der deutschen Legehennen lebt in sogenannter Bodenhaltung. Diese sieht einen Quadratmeter Platz für 9 Hühner vor. Die Hühner leben in Gruppen aus bis zu 6.000 Tieren. Bei einer solchen Anzahl ist es für Hühner nicht möglich, eine stabile Rangordnung zu etablieren, was enormen Stress bedeutet und zu ständigen Auseinandersetzungen führt. Durch die Enge haben schwache Tiere zudem keine Möglichkeit, dominanten Hennen auszuweichen. Wie bei der Kleingruppenkäfighaltung gibt es mehrere Ebenen, um auf der Grundfläche mehr Tiere unterzubringen – die Mindesthöhe beträgt ebenfalls 45 cm. Nur ein Drittel des Bodens muss mit Einstreu versehen sein, der restliche Untergrund besteht aus Gittern, die für die Füße der Hühner schmerzhaft sein können.
In Freilandhaltung leben nur knapp 15 % der Legehennen. Die Bedingungen in den Hallen sind identisch mit denen der Bodenhaltung. Zusätzlich muss tagsüber ein Zugang ins Freie gewährt werden. In der Praxis kann es vorkommen, dass der Zugang, zum Beispiel sonntags, verschlossen bleibt, oder sich so viele Hühner davor drängen, dass Tiere aus dem hinteren Teil der Halle es nicht nach draußen schaffen. Der Außenbereich ist im besten Fall bewachsen und bietet Überdachungen oder Büsche als Schutz vor natürlichen Feinden wie zum Beispiel Greifvögeln. Werden keine Unterschlupfmöglichkeiten angeboten, nutzen die Tiere die Außenfläche kaum.
Nur 8 % der deutschen Legehennen leben in Biohaltung. Die Bedingungen sind bis auf wenige Ausnahmen mit denen der Freilandhaltung identisch. Pro Quadratmeter Stallfläche dürfen 6 Hennen gehalten werden. Die Gruppengröße ist je Stalleinheit auf 3.000 Legehennen begrenzt. Aber auch diese Anzahl bleibt unüberschaubar und kommt den Bedürfnissen der Hühner nicht nahe. Legehennen aus Biohaltung sind die einzigen, deren Schnäbel nicht gekürzt werden.
Die Schnäbel der Küken werden gekürzt, um Federpicken und Kannibalismus vorzubeugen. Diese Verhaltensweisen resultieren aus der Enge und dem Stress, denen die Hühner in der Ei-Produktion ausgesetzt sind. Statt die Haltung zu verbessern, werden die Küken so den Produktionsbedingungen angepasst.
In Deutschland gibt es zwei zulässige Prozeduren des Schnabelkürzens, von der Geflügelwirtschaft beschönigend „Schnabelbehandlung“ genannt, die allerdings ohne Betäubung ausgeführt werden: Der Schnabel des Kükens wird entweder gegen eine heiße Metallplatte gepresst (touchiert) oder mit einem heißen Messer abgetrennt (kupiert). Dabei erleiden die Küken starke Schmerzen, da der Schnabel von Nerven durchzogen und durchblutet ist.
Das Tierschutzgesetz verbietet die Amputation von Gliedmaßen grundsätzlich und sieht nur Ausnahmeregelungen vor – dennoch werden die Schnäbel fast aller Küken routinemäßig gekürzt.
Bei der Nachzucht der Legehennen sind männlichen Küken aus ökonomischer Sicht wertlos: Sie legen keine Eier und sind nicht für die Mast geeignet. Zur Fleischproduktion werden speziell gezüchtete „Masthähnchen“ benutzt, die sehr schnell wachsen und viel mehr Fleisch ansetzen.
Daher werden jedes Jahr allein in Deutschland 50 Millionen männliche Küken, die Brüder der zukünftigen Legehennen, an ihrem ersten Lebenstag aussortiert und getötet. Dieser Vorgang wird „sexen“ genannt. Die Küken werden entweder in einem „Homogenisator“ zerstückelt oder mit Kohlendioxid vergast. Filmaufnahmen des Vorgangs gibt es hier: Küken sexen.
Legehennen müssen Hochleistungen erbringen. Um einer nachlassenden Legeleistung zuvorzukommen, werden die Legehennen aller Haltungsformen bereits im Alter von eineinhalb Jahren geschlachtet. In Deutschland werden daher jedes Jahr über 31 Millionen Legehennen getötet.
Dass 10 % der Hennen bereits während der Ei-Produktion sterben, wird von der Geflügelwirtschaft einkalkuliert. In der Fachsprache wird der Tod einer Legehenne übrigens als „Ausfall“ oder „Verlust von Produktionstagen“ bezeichnet. Als Faustregel gilt: „Passiert der Ausfall gegen Ende einer Legeperiode, hat sich der Hybrid bereits amortisiert.”
Der beste Weg, das Leiden der Legehennen zu verhindern, ist, keine Eier und Produkte, die Ei-Bestandteile enthalten, zu konsumieren. Die gute Nachricht ist, dass man weder zum Kochen noch zum Backen Eier braucht.
Quelle: Vebu